Waldexpertin über neue Klimastudie: „Aufforstung allein bringt’s nicht“

Aktuelle Berechnungen von WissenschaftlerInnen der ETH Zürich zeigen, dass neue Wälder CO2-Emissionen massiv ausgleichen könnten. Doch so einfach ist das nicht, erklärt Jana Ballenthien, Soziologin, Naturpädagogin und Waldreferentin bei der deutschen Umwelt- und Naturschutzorganisation Robin Wood (Anmerkung der Redaktion: Nachstehendes Interview haben wir der taz vom 08.07.2019 in gekürzter Fassung entnommen).

taz: Frau Ballenthien, eine im Fachmagazin Science veröffentlichte Studie kommt zu dem Ergebnis, dass neue Wälder auf kaum genutzten Flächen zwei Drittel aller CO2-Emissionen ausgleichen könnten. Heißt das, dass uns Aufforstung vor dem Klimatod retten kann?

Jana Ballenthien: Überhaupt nicht. Die wissenschaftlichen Ergebnisse dürfen nicht die Illusion schüren, dass es eine einfache Lösung für alle Klimaprobleme gibt. Einfach ein paar Setzlinge zu pflanzen und damit rausaus dem Schneider zu sein, wird nicht funktionieren. Zum Beispiel ist es eigentlich viel wichtiger, dass die massive Rodung alter Wälder gestoppt wird. Die kann man nämlich gar nicht durch Aufforstung ausgleichen. Das gilt nicht nur für den tragischen Extremfall Brasilien, sondern überall. In Rumänien gab es 2004 noch über 280.000 Hektar unberührte Wälder, heute sind es weniger als die Hälfte. Unter anderem, weil IKEA dort 8 Prozent seines Holzes her bekommt. Nicht einmal Schutzgebiete helfen da: Auch dort ist illegaler Holzeinschlag an der Tagesordnung.

taz: Warum ist dieser alte Wald so wichtig?

c: Alte Wälder speichern viel mehr CO2 und Feuchtigkeit, sind artenreicher und resilienter. Neu aufgeforstete Wälder brauchen über hundert Jahre, ehe sie auch nur annähernd so etwas leisten können, und im schlimmsten Fall ähneln sie eher einer Monokultur.

taz: Aber sind die WissenschaftlerInnen der ETH Zürich wirklich so naiv? Die wissen doch auch, dass überall gerodet wird und Bäume eine Weile brauchen, um zu wachsen.

Jana Ballenthien: Ja, aber sie ziehen sich oft zurück auf die reinen Zahlen. Die Forderung nach Aufforstung macht nur Sinn wenn man auch die kapitalistische Produktion und den ungezügelten Konsum insgesamtproblematisiert. Ganz knapp gesagt: Wir müssen unseren Konsum drastisch reduzieren, wir müssen mehr Recycling betreiben und wir müssen alte Wälder erhalten und schützen. Man kann nicht erwarten, dass „der Wald“ und sein Holz als nachhaltiger Rohstoff einfach alle Probleme löst.

Quelle: taz vom 08.07.2019 (gekürzte Fassung mit freundlicher Genehmigung des Verlages)

Für die Schriesheimer Ökostromer
Winfried Plesch