Von Einstein, Mineralwasserflaschen und Südseeinseln

Vom Begründer der Relativitätstheorie, Albert Einstein, stammt der Satz „Es ist schwieriger, eine vorgefasste Meinung zu zertrümmern als ein Atom“. Als einer der bedeutendsten Physiker der Wissenschaftsgeschichte war er es gewohnt, mit Einwürfen, die auf offensichtlichem Halbwissen basierten, umzugehen. Seinen Kritikern sei allerdings zugestanden, dass das Nachvollziehen der Relativitätstheorie eine erhebliche mathematische Vorbildung und im gleichen Maße physikalisches Vorstellungsvermögen erfordert.

Der Zusammenhang zwischen schmelzendem Eis und dem Anstieg der Meeresspiegel ist wesentlich profaner, überfordert aber dennoch den einen oder anderen klimawandelleugnenden Zeitgenossen. Aus der unbestreitbaren Tatsache, dass schwimmendes Eis eine geringere Dichte als Wasser besitzt (jedem, der schon mal eine Mineralwasserflasche zum schnellen Abkühlen in ein Gefrierfach gelegt hat und dann dort vergaß, ist diese physikalische Binsenweisheit beim Ausfegen der Scherben eindrucksvoll bewusst geworden), wird „messerscharf“ gefolgert, dass ein Schmelzen des arktischen Meereises gar nicht zur Erhöhung des Meerwasserspiegels führen kann, weil das sich ergebende Schmelzwasser ein geringeres Volumen aufweist als das Eis, aus dem es entstand.

Einziger Denkfehler dabei ist, dass der steigende Meerwasserspiegel eben keine Folge des geschmolzenen schwimmenden Eises in der Arktis, sondern des schmelzenden Festlandeises in der Antarktis ist. Dieses antarktische Eisschild bedeckt eine Fläche von 14 Millionen km2 und enthält 30 Millionen km3 Eis, was ca. 60 Prozent des gesamten Süßwasserbestandes der Erdoberfläche entspricht. Bei vollständigem Abschmelzen des Eises in der Antarktis würde sich daraus ein globaler Meeresspiegelanstieg von über 50 m ergeben.

Zusätzlich zu diesem beschriebenen „eustatischen“ erfolgt der „sterische Meeresspiegelanstieg“. Die klimabedingte Erwärmung des Meerwassers führt zu einer langsamen Verringerung seiner Dichte und damit zu einer Volumensteigerung. Da die Meere an den Küsten begrenzt sind, kommt es zwangsläufig zu einem Anstieg des Meeresspiegels. Hinzu kommt, dass in den obersten drei Metern der Weltmeere genauso viel Wärmeenergie gespeichert ist wie in der gesamten darüber liegenden Atmosphäre. Einmal erwärmt, sind die Meere so gute Speicher, dass sie die Wärme für sehr lange Zeit, möglicherweise sogar für Jahrhunderte nur sehr langsam abgeben. Aus genau diesem Grunde strömt durch die Heizkörper, mit denen Ihre Wohnung geheizt wird, ja auch aufgeheiztes Wasser und nicht heiße Luft. Selbst im günstigsten Fall wird sich der Meeresspiegel aufgrund der thermischen Trägheit noch viele Jahrzehnte erhöhen.

Der ZDF-Journalist Claus Kleber beschreibt in seinem Buch „Spielball Erde“ das langsame Versinken der Südseeinseln am Beispiel der Carteret-Inseln, eines Atolls vor der Ostküste Papua-Neuguineas, und prognostiziert in dem 2014 erschienen Buch deren Untergang. Es wird dauern, bis sie verschwinden, aber es ist im Grunde genommen nur eine Frage der Zeit. Inzwischen ist die dortige Regierung aktiv geworden und hat ein Umsiedlungsprogramm für seine Einwohner angestoßen.

Eine Vielzahl von Satelliten liefert Daten, die den Meeresspiegelanstieg unzweifelhaft belegen. Die vergangenen hundert Jahre sind gut dokumentiert. Jeder, der möchte, kann sich aus der Menge unabhängiger und seriöser Quellen im Internet informieren, z.b. bei der NASA, der ESA, Eumetsat und vielen anderen. Die Leugnung des Meeresspiegelanstiegs  lässt eine erschreckende Unkenntnis nicht nur über die komplexen Auswirkungen der Erderwärmung erkennen, sondern demonstriert auch ein eklatantes Desinteresse, sich zu informieren und über den Tellerrand hinauszuschauen. Weiterführende Erkenntnisse und Ratschläge sind von diesem Personenkreis nicht zu erwarten.

Für die Schriesheimer Ökostromer
Norbert Clasen

Übrigens:
Die Zusammenhänge zwischen schwimmendem Meereis, Festlandeis (wie z.B. in der Antarktis und auf Grönland) und der Höhe des Meeresspiegels werden im Kapitel zur Kryosphäre (Gebiete der Erde, auf denen Wasser in gefrorener Form vorkommt) in dem von uns bereits vor einiger Zeit vorgestellten Buch „Kleine Gase – Große Wirkung: Der Klimawandel“ von David Nelles und Christian Serrer ausgezeichnet, klar und leicht verständlich dargestellt. Bestens angelegte 5 Euro! Mehr kostet das Büchlein tatsächlich nicht.
Bitte dran denken, wenn Sie das nächste Mal an Utes Bücherstube vorbei kommen.