Hitzefrei am Polarkreis

Es ist die größte Arktisexpedition aller Zeiten: Seit Herbst 2019 driftet der deutsche Forschungseisbrecher „Polarstern“ eingefroren durch das Nordpolarmeer. Auf der MOSAiC-Expedition erforschen Wissenschaftler aus 20 Nationen die Arktis im Jahresverlauf. Sie überwintern in einer Region, die in der Polarnacht nahezu unerreichbar ist. Allein die Naturgewalt der Eisdrift bietet ihnen diese Chance. Kaum eine Region hat sich in den vergangenen Jahrzehnten so stark erwärmt wie die Arktis. Ziel der Expedition ist es, deren Einfluss auf das globale Klima besser zu verstehen. Nicht zuletzt das vorher nicht absehbare Arbeiten unter Corona-Bedingungen stellen das Forscherteam vor völlig neue Herausforderungen.

Im Rahmen der MOSAiC-Expedition wurden schon im Winter eine Reihe von ungewöhnlichen Faktoren beobachtet und untersucht. Dazu gehören Eisdrift- und Eisdicken-Anomalien, von denen eine Wirkung auf die sommerliche Schmelze vermutet wird, wie Modellvergleiche jetzt belegen. Und nun kommen eine Reihe weiterer Faktoren hinzu, die ebenfalls dazu beitragen können, dass derzeit der schnellste Rückgang der Eisbedeckung im Monat Juli gemessen wird: An der ostsibirischen Küste war es im Mai und Juni dieses Jahres mehr als 6 °C wärmer als im langjährigen Mittel. Eine Warmluftzelle über dieser Region dominierte die Wetterlage und rief Temperaturen weit über dem langjährigen Durchschnittswert hervor. In der Folge schmolz der Schnee bereits früh im Jahr und die sibirischen Permafrostböden begannen zu tauen. Im Juni sorgte diese Erwärmung darüber hinaus zu einem verstärkten Rückgang der Eisbedeckung in der Laptewsee, der sich mit Beginn des Juli auf die Ostsibirische See ausweitete. Mitte Juli war die Eisbedeckung so weit zurückgegangen, dass sich die Nordostpassage erstmalig im Jahr 2020 vollständig öffnete. Seit Beginn des Monats Juli haben sich die klimatischen Bedingungen verändert: Es liegt eine Hochdruckzelle über der Ostsibirischen- und Tschuktschensee und bedingt überdurchschnittlich warme Temperaturen über der zentralen Arktis (bis zu 10 Grad Celsius über dem Mittelwert). Das dortige stabile Luftdrucksystem begünstigt eine Verstärkung der Warmluftzelle, die zu einem vermehrten Schmelzen der Schneebedeckung auf dem Eis und damit zu einem frühzeitigen Zerfall und Schmelzen des einjährigen Eises führte.

Unter https://www.swr.de/swr1/bw/programm/forschungsschiff-polarstern-100.html, einem Blog des des Radiosenders SWR1, kann man die Expedition täglich verfolgen.

Für die Schriesheimer Ökostromer
Norbert Clasen