Die Dunkelflaute

Das sperrige Wort „Dunkelflaute“ beschreibt das gleichzeitige Auftreten von Dunkelheit und Windflaute. Diese Wetterlage entsteht typischerweise im Winter und sorgt für nur geringe Erträge aus Solar- und Windenergie bei gleichzeitig saisonal hohem Strombedarf. Im Zeitraum zwischen dem 6. Januar und dem 10. Januar 2021 addierten sich diese beiden erneuerbaren Energiearten auf lediglich 10 Gigawatt Leistung – der Energiebedarf lag aber bei bis zu 74 Gigawatt.

Welche Folgen ergeben sich daraus für den Kohleausstieg? Steigt das Blackout-Risiko mit jedem konventionellen Kraftwerk, das vom Netz geht? Der deutsche Wetterdienst hat anhand der aufgezeichneten Wetterdaten der Jahre zwischen 1995 und 2015 errechnet, dass die gesamten deutschen On- und Offshore-Windenergieanlagen durchschnittlich 13 Mal pro Jahr über 48 Stunden hinweg nur maximal 10 Prozent ihrer installierten Leistung realisieren können. Berücksichtigt man zusätzlich die Erträge der Photovoltaikanlagen, bleiben immer noch zwei mindestens zweitägige Perioden pro Jahr, in der die Anlagen zu wenig Strom liefern.

Die RWTH Aachen hat daraus gefolgert, dass zusätzliche Gaskraftwerke notwendig sind, die auch über längere Zeit Strom liefern können, wenn die erneuerbaren Energien dazu nicht in der Lage sind. Daraus ergibt sich kein Widerspruch zu Energiewende und Klimaschutz, weil statt fossilem Erdgas auch – nach und nach – CO2-neutrale Gase eingesetzt werden können, in erster Linie Wasserstoff, der mithilfe der Elektrolyse mit Strom aus regenerativen Energien erzeugt wird.

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Die Berliner Denkfabrik „Agora“ hat errechnet, dass die installierte Leistung bis 2030 auf 43 Gigawatt, bis 2050 sogar 73 Gigawatt installiert werden muss. Die Studie beruht auf der durchaus realistischen Annahme, dass sich aus den erhöhten Klimazielen der EU die Folge ergibt, dass Ende dieses Jahrzehnts fast alle Kohlekraftwerke vom Netz gehen werden. Die Zeit bis dahin würde der Studie zufolge ausreichen, um die nötigen Anlagen zu bauen. „Wir gehen davon aus, dass vor allem viele kleine, dezentrale Gasmotoren und -turbinen installiert werden. Das geht deutlich schneller als die Projektierung und der Bau von Großkraftwerken. Das Beratungsunternehmen „Energy Brainpool“ hat analysiert, dass ein solches System trotzdem nicht sehr teuer sein muss. Die Gaskraftwerke zur Absicherung der Versorgungssicherheit tragen dieser Berechnung nach nur 10 Prozent zu den Gesamtkosten des Energiesystems bei. Die mittleren Stromkosten dafür betragen unter Annahme einer weiterhin starken Kostendegression erneuerbarer Energien 5,7 ct/kWh (ohne Transport/Verteilung und Besteuerung). Auch ohne die Energiewende müsste erheblich in den Kraftwerkspark investiert werden, da viele Kohlekraftwerke überaltert sind.

Europäische Zusammenarbeit wird dabei zusätzliche Sicherheit schaffen, da sich die Wetterverhältnisse innerhalb Europas erheblich unterscheiden. Ist zum Beispiel der Wind im Nordseeraum nur schwach, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass es auf dem Balkan kräftig bläst. Das Frauenhofer Institut für solare Energiesysteme (ISE) prognostiziert deshalb, dass der Stromaustausch zwischen den einzelnen Ländern stark zunehmen wird: „Das stärkt die Versorgungssicherheit, auch in Dunkelflauten“. Um zu ermöglichen, dass mehr Strom über die Grenzen fließen kann, treibt die EU mittlerweile den europäischen Netzausbau stark voran. Batteriespeicher, die auf den ersten Blick eventuell Abhilfe schaffen könnten, werden aus Kapazitätsgründen nicht ausreichen, um die temporären Strombedarfe auszugleichen. Ein wesentlich stärkerer zusätzlicher Hebel liegt in dem Ausbau des sogenannten Lastmanagements: industrielle Betriebe verschieben manche Prozesse in Zeiten, in denen viel Energie verfügbar ist. Bei Anlagen, die nicht kontinuierlich laufen müssen, ist das schon heute ein probates Mittel, um die Energiekosten der Unternehmen zu senken. Zukünftig wird es auch ein weiteres Hilfsmittel sein, kurze Dunkelflauten zu überstehen.

Für die Schriesheimer Ökostromer
Norbert Clasen