Aus der immer noch warmen Stube

Haben Sie auch gerade die Zeitung gelesen? Das Interview mit Herrn Dobrindt, in dem er sich über die beiden großen Kirchen auslässt? Der Herr Dobrindt von der CSU, wo das C für Christlich steht! Er fühlt sich bemüßigt, ihnen wohlfeile Ratschläge zu geben: „Bitte zu großen gesellschaftlichen Debatten äußern, weniger bei politischem Aktivismus.“ (Rhein-Neckar-Zeitung vom 12./13.11.2022, Seite 12). Ist das Klima denn keine große gesellschaftliche Debatte? Ist die Klimadebatte nicht längst in der gesellschaftlichen Mitte angekommen und betrifft einen jeden von uns? Im gleichen Interview werden auch unbotmäßige Klimaaktivisten der Organisation „Letzte Generation“ genannt, die gemäß Gesetzesvorschlag der CDU/CSU als Terroristen direkt ins Gefängnis marschieren sollen.
Aber zurück zur Kirche. Hat Herr Dobrindt sich denn nicht mit den beiden Enzykliken von Papst Franziskus beschäftigt? Ich meine „Laudato Si, über die Sorge um das gemeinsame Haus“ aus dem Jahre 2015 („Angesichts der weltweiten Umweltschäden möchte ich mich jetzt an jeden Menschen wenden, der auf diesem Planeten wohnt.“) sowie die Enzyklika „Fratelli tutti, über die Geschwisterlichkeit und die soziale Freundschaft“ aus dem Jahre 2020 („Ich habe den großen Wunsch, dass wir in dieser Zeit, die uns zum Leben gegeben ist, die Würde jedes Menschen anerkennen und bei allen ein weltweites Streben nach 
Geschwisterlichkeit zum Leben erwecken.“). Da steht alles Wichtige drin. Schon gelesen, Herr Dobrindt? Wenn nicht mal mehr der Papst spürbaren Einfluss auf die Entscheidungen der Politiker weltweit hat, was bleibt dann verzweifelten Aktivisten anderes übrig als Aktivismus? Die aktuellen CDU/CSU-Politiker hätten Jesus, nachdem er die Händler aus dem Tempel gejagt hatte, sicher sofort schnurstracks in den Kerker geworfen. Weil er den freien Handel stört und das immerwährende unendliche wirtschaftliche Wachstum behindert. 
Letztlich müssten sich sogar die Wissenschaftler, die die Entwicklung der Klimakatastrophe seit Jahrzehnten vorhersagen und deren Prognosen bisher leider tatsächlich auch weitgehend eingetroffen sind, an Kohlekraftwerke kleben, von Autobahnbrücken abseilen oder Flughäfen lahmlegen, damit ihre Warnungen endlich Gehör finden. Oder? 
Aber woher nehme ich das Recht, all das hier zu schreiben? Auch ich sitze mitten im November gemütlich in der unbeheizten (!), aber warmen (!!!) Stube. Wäre es global gesehen vielleicht nicht doch besser gewesen, es hätte so wie früher schon an Allerseelen (2. November) geschneit? Wir sollten alle mal darüber nachdenken.

Für die Schriesheimer Ökostromer
Winfried Plesch